Von Caramel Landsturm

Wenn ein neues Baby in den Freundeskreis plumpst, ist das erstmals ein bisschen schwierig für die lieben Freunde, weil, mal ehrlich: Eigentlich sehen ja alle Babys zunächst mal ziemlich doof aus. Die meisten sind total zerknautscht und ein bisschen vertätscht, sie sabbern und haben oft so Schorffetzen am Kopf, und bei Erwachsenen findet man Schuppen ja auch nicht gerade härzig. Aber trotzdem muss man als liebe Freunde neben das kleine Bettchen stehen und in ein kollektives Gejöhe ausbrechen. Manchmal ist das ganz schön anstrengend, weil nun mal - und das sei jetzt hier mal festgestellt - nicht alle Babys schön sind, nein!, es gibt sogar ganz ausgesprochen hässliche Babys, und dann muss man sich halt ein wenig retten, um nicht lügen zu müssen, es sei herzig. "Oh, das hat aber ein lustiges Pullöverli an, ist das von H&M?", kann man dann sagen, oder: "Ah, das ist aber ein spannender Name, ist der von Ikea?"

Das war jetzt ein kleiner Scherz. Aber Namen sind ja auch sehr problematisch. Bei dem Wunsch, die Originalität und Einzigartigkeit ihres kleinen Menschleins zu betonen, schiessen ja viele Eltern übers Ziel hinaus, und dann heisst ein Kind z.B. Cheyana oder Jette, und man muss den Kopf schütteln und sagen: klarer Fall von Kevinismus. Oder dann waren die Eltern zu viel im Kino oder auf USA-Reise mit dem Wohnmobil und nennen das Kind Brian, weil wenn das Kind einmal Chef eines international tätigen Konzerns werden will, klingt Brian doch viel besser als Stefan. Und bald schallt es über den Spielplatz: "Bräääiiiieeeeennn!", und die Ohren verspüren Brechreiz. Da gebührt den wahrhaft progressiven Eltern ein Lob: Neulich fand sich unter all den Lucas und Leons und Aurelies unter den Geburtsanzeigen in der Zeitung ein kleiner Karl Heiner. Jööööh.

Haben sich die Freunde erst mal an den Namen gewöhnt, denken sie bald wieder an Alltag und so, aber die Eltern nur noch: Babybabybaby. Als gute Freunde übersteht man sowas ja erst mal gern, weil man denkt ja: Das geht dann schon vorbei, bald können wir mal wieder ein Bier saufen gehen oder über Arbeitskollegen lästern oder so. Weil irgendwann ist das Baby ja dann auch nicht mehr so interessant, wie früher neues Spielzeug, das ist auch nur am Anfang cool. Aber: Fehler. Erstens mal ist da keine Zeit mehr, weil dieses winzige Dings soooo viel Arbeit gibt, und zweitens gibt's da kein anderes Thema mehr, weil dieses winzige Dings sooo wahnsinnig tolles Zeug kann. Sabbern! Schlucken! Lächeln! Blinzeln! Fürzlen!

Wow, ja, echt krass.

Und zu all dem hinzu kommt, dass alle neuen Eltern ja so betont glücklich sind und wie auf Wattewölkchen dahin schweben. "Ach nein, gar kein Problem ist das!" "Es ist schon anstrengend, aber es lohnt sich!" Das ist so ein geheimes Abkommen unter Eltern: Man ist nicht überfordert. Man findets nie doof, ein Kind zu haben. Man findet sein Kind immer super. Alles ist schön. Dabei wärs ja mal ganz erfrischend, wenn ein neuer Vater ausrufen würde: "Huch, das Kind nervt manchmal ganz gewaltig." Oder die Mutter: "Leider ist Charlene nicht so hübsch geworden, aber wir können es ja noch ein zweites Mal probieren."

Aber nein. Alle Eltern müssen permanent so tun, als wäre ihnen da ein kleines Wunder gelungen und als wärs eine wahnsinnige Leistung, ein Kind zu machen. Aber ich meine, ähm, auch wenn man dann nie darüber spricht, wir wissen ja alle, wie sie das hingekriegt haben.

Und so ein Weltwunder ist das nun auch wieder nicht.

(Abgesehen von dem allem: Herzliche Gratulation!)
Caramel Landsturm